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Stadt mit Kanalanschluss

Wie in kaum einer anderen Stadt haben der Bergbau und die damit verbundenen Industrien das Bild der Stadt Herne geprägt.

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von Regiomanager 01.03.2016

Der glückliche Umstand, dass Herne im Vergleich zu den Nachbarstädten verhältnismäßig wenige Kriegsschäden erlitten hatte, machte eine Neuansiedlung für viele Unternehmen interessant. Vor allem Flüchtlinge und Vertriebene sorgten dafür, dass sich vor Ort neuartige oder am Ort weniger vertretene Betriebe, allen voran aus der Bekleidungs- und Wäschebranche, aber auch die Produzenten technischer Artikel niederließen. Ein Trend, der sich viele Jahre lang fortsetzte und beispielsweise durch die Ansiedlung des Blaupunkt-Werkes an der Forellstraße im Jahr 1967 ein herausragendes Ereignis verzeichnete. Heute zeichnet sich Herne als Logistikstandort aus. So finden sich mit UPS, Dachser, Phoenix Pharmahandel, der Ende 2013 gegründeten Kombi und Schienen Logistik, dem Softwareunternehmen Logiball und Speditionen wie Wüstefeld und dem 1928 gegründeten Traditionsunternehmen Anton Graf, das eher als Reiseveranstalter bekannt ist – um nur eine kleine Auswahl zu nennen – ,bedeutende Logistik- und Transportunternehmen in der Stadt. Eines der Unternehmen, die die Logistiktradition begründeten, ist die Wanne-Herner Eisenbahn- und Hafen GmbH, die ihren heutigen Namen 1959 erhielt, deren Vorgängerinnen aber bereits 1913 gegründet wurden.

Von Haranni zu Herne

Erstmals erwähnt wurde Herne um 890 im Heberegister des Benediktinerklosters zu Werden an der Ruhr. Dort findet sich unter den abgabepflichtigen Pächtern auch der Bauer Berahtwini in Haranni. Dieses Wort bedeutet übersetzt Anhöhesiedlung und bildet die Basis für den heutigen Städtenamen, der sich bereits in der Mitte des 12. Jahrhunderts in Hernen geändert hatte. Leibeigenschaft der Bauern und Lehnherrschaft bestimmten bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts die wirtschaftlichen Verhältnisse der Stadt. Zu den größten Grundbesitzern gehörten die Ritter von Strünkede, denen während ihrer Glanzzeit nahezu das gesamte Dort gehörte – bis sich 1789 mit dem Konskours des hoch verschuldeten Besitzes das Ende der Feudalherrschaft ankündigte. Bis heute zeugt das Wasserschloss Strünkede, aktuell Heimat des Emschertal-Museums, von der Existenz des Adelsgeschlechts.

Elf Kohlezechen

Nachdem 1808 die Leibeigenschaft aufgehoben und 1809 die Lehnherrschaft abgeschafft worden waren, kauften viele Bauern ihren Hof oder Kotten. Einen wirtschaftlichen Aufschwung erlebte die Stadt jedoch erst, wie für das Ruhrgebiet typisch, durch den industriellen Abbau der Steinkohle ab Mitte des 19. Jahrhunderts. So begann 1857 eine Gesellschaft aus Investoren und Technikern, geführt vom Iren W. Th. Mulvany, mit der Abteufung des ersten Schachts (Shamrock) auf Herner Gebiet, dem 1862 der zweite Schacht folgte. Andere, vor allem ausländische Unternehmen stiegen in das Geschäft ein, und so folgten die Schächte Zechen Providence (1863), Barrilon (1867), Friedrich der Große (1870) und Mont Cenis (1872). In der Blütezeit wurde auf elf Zechen Kohle gefördert. Die Kohleära in Herne endete 1978 mit der Schließung der Zeche Friedrich der Große.

Eisenverarbeitung

Auf die Zechengründungen folgten zahlreiche eisenverarbeitende Werke, die vorwiegend als Zulieferer für den Bergbau fungierten. So starteten 1869 Viktor Halstrich Wwe. (Gruben- und Kokswagen) und das Röhren- und Schweißwerk vorm. G. Kuntze GmbH ihre Produktion. 1870 folgte die Dampfkesselfabrik Ewald Berninghaus (später Fritz Becker & Co.), die sich durch die Herstellung von Dampfkesseln für Hochofen- und Koksofengasfeuerung sowie geschweißte Bleche einen guten Ruf erwarb. Ab 1888 stellte die A. Beien Maschinenfabrik und Eisengießerei Bergwerksmaschinen, Eisenkonstruktionen und Gussstücke her. Ein Jahr später wurde der Vulkan Kupplungs- und Getriebebau gegründet, der bis heute besteht. Das Unternehmen befindet sich in alleinigem Besitz der Familie Hackforth und beschäftigt rund 1.300 Mitarbeiter an 20 Standorten weltweit. Fast 100 Jahre lang bestand das 1897 gegründete Schraubenwerk Dorn, in dem Schrauben und Muttern produziert wurden, und 1902 siedelte die Maschinenfabrik Flottmann & Co. von Bochum nach Herne über. Mit der Fertigung von Gesteinsbohrmaschinen und Presslufthämmern wurde das Unternehmen zu einem der größten Arbeitgeber außerhalb des Bergbaus. Nach mehreren Eigentümerwechseln führte der Verkauf im Jahre 1994 an die irische Ingersoll Rand Company zum Ende des Unternehmens. Auf dem ehemaligen Firmengelände erinnert seit 1986 das Kulturzentrum Flottmann-Hallen an das traditionsreiche Unternehmen. Auch die 1871 gegründete Seilfabrikation Eduard Gessmann, die rund 50 Jahre lang existierte, erlangte überregionale Bedeutung. Ebenso wie die ebenfalls von Gessmann Ende des 19. Jahrhunderts gegründete Herner Herdfabrik.

Günstige Verkehrslage

Zum wirtschaftlichen Aufschwung Hernes trug auch die günstige Lage der Stadt bei. Am 15. Mai 1847 machte der erste Zug auf der Eisenbahnlinie Köln–Minden im damals noch als Herne-Bochum bezeichneten Bahnhof Halt. Diese Anbindung an das Schienennetz erfolgte früher als in größeren Nachbarstädten wie Essen und Bochum und ließ Herne zum Verkehrsmittelpunkt werden, war doch die billige und schnelle Verfrachtung von Massengütern eine der Voraussetzungen für einen wirtschaftlichen Abbau der Steinkohle. 1872 wurde Herne auch Haltepunkt der Bergisch-Märkischen Bahn, ein Jahr später konnte man die Stadt auch mit der „Emschertalbahn“ erreichen. Einen weiteren bedeutenden Schritt in Sachen günstige Verkehrsanbindung machte die Stadt 1914, noch vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs, durch die Inbetriebnahme des Rhein-Herne-Kanals. Damit wurde über die Anbindung an den Rhein bei Duisburg und den Dortmund-Ems-Kanal bei Henrichenburg der direkte Warentransport zur Elbe und zu den deutschen und holländischen Seehäfen möglich. 1928 wurde auch das Stichhafenbecken in Betrieb genommen, das mit drei leistungsfähigen Brückenkrananlagen den Transport der Kohle, die auch aus den Nachbarstädten herangeschafft wurde, optimierte. Kanal und Hafen verloren mit den Zechenstilllegungen zunächst ihre Bedeutung. In jüngster Vergangenheit wurden aber zahlreiche Konzepte zum Güterverkehr entwickelt, die Kanal und Hafen wieder stärker mit einbeziehen.

Herbert Päge | redaktion@regiomanager.de

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