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Die Zukunft des Lernens

Augmented Reality, MOOKs oder Mobile Learning – webbasierte Weiterbildung wird immer beliebter. Vor allem Smartphones entwickeln sich zu wichtigen Lerngeräten.

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von Regiomanager 01.03.2016
Foto: © Maksym Yemelyanov – stock.adobe.com)

Per Datenbrille Informationen erhalten – dieses Szenario war früher nur Kinohelden wie James Bond vorbehalten, heute kann es durchaus auch am Arbeitsplatz nebenan beobachtet werden. Obwohl es futuristisch klingt, gehören derartige Augmented Reality-Technologien in vielen Unternehmen bereits zum Alltag und werden unter anderem zum Lernen eingesetzt. Weiterbildung ist somit nicht mehr auf den Seminarraum beschränkt. „Webbasierte Learning Tools sind auf dem Vormarsch“, sagt Dr. Joachim Bühler, Mitglied der Bitkom-Geschäftsleitung. Lebensbegleitendes Lernen sei ohne den Einsatz von digitalen Medien kaum noch vorstellbar. Gerade für Unternehmen erschließen sich viele Vorteile. Schließlich sind webbasierte Tools unkompliziert, aktuell, individuell und flexibel einsetzbar. Eine Bitkom-Untersuchung aus dem Jahr 2009 hat gezeigt, dass bereits damals mehr als zwei Drittel der deutschen Top-500-Unternehmen E-Learning für das betriebliche Lernen einsetzen. „Wir gehen davon aus, dass sich der Anteil bis heute noch mal deutlich gesteigert hat.“ Dabei sind die Möglichkeiten der webbasierten Weiterbildung vielfältig: „Es fängt bei einfachen Lernformaten wie dem selbst gesteuerten Lernen am Computer oder live geführten Online-Trainings im ‚virtuelle Klassenzimmer‘ an und reicht bis zum Einsatz von Massive Open Online Courses.“ Bei diesen sogenannten MOOCs handelt es sich um meist kostenlose und weltweit zugängliche Online-Kurse, die unter anderem von Hochschulen angeboten werden. Auf bekannten Plattformen wie edX, Udacity oder dem deutschsprachigen Anbieter iversity führen Professoren international renommierter Universitäten Lehrveranstaltung online durch.

Lernen mit Bildungs-Nuggets

„Zudem entwickeln sich Smartphones und Tablets zu wichtigen Lerngeräten“, ergänzt Bühler. Rund jeder Dritte, der E-Learning nutzt, setze entsprechende Apps ein. „Das Mobile Learning ist einer der wichtigsten Trends der Branche. Immerhin ist die Verbreitung von Smartphones nahezu flächendeckend.“ Lernen ist somit besser in den Alltag integrierbar; man ist zeitlich unabhängig und kann sich das Lerntempo selbst einteilen. „Es wird nicht mehr mehrere Stunden am Stück gebüffelt. Da der Lernstoff in kurze Einheiten strukturiert wird, erhält man über den Tag verteilt sogenannte ‚Bildungs-Nuggets‘, also Bildungs-Häppchen, mit denen man sich beschäftigen kann, wenn man gerade Zeit hat.“ Hinzu kommt eine räumliche Unabhängigkeit, weil das Lernen überall möglich ist. „Es entwickelt sich aktuell eine interessante Start-up-Szene: Diese sogenannten EdTech-Unternehmen, die sich auf das Lernen mit digitalen Mitteln spezialisieren, sind aber nicht nur im Bereich der betrieblichen Weiterbildung aktiv, sondern auch im Freizeitmarkt.“ Vom Spracherwerb bis zum Musiklernen werden die verschiedensten Kompetenzen in Online-Angeboten vermittelt. Game-based Learning, das einen spielerischen Ansatz verfolgt, gewinnt ebenfalls an Bedeutung. Auch Augmented Reality-Formate werden immer gefragter: „Datenbrillen gelingt es mit integrierten Displays im Glas, Informationen in das Sichtfeld des Anwenders zu projizieren.“ Diese intuitive Darstellung ermögliche ein autarkes Lernen ohne dauerhafte externe Anleitung.

Individualisiertes Lernen

„In Zukunft geht es darum, E-Learning noch stärker zu individualisieren und die Weiterbildung optimal auszugestalten“, sagt Bühler. Gelingen soll dieses Vorhaben durch Customizing: „Mithilfe von Big-Data-Analysen werden die Stärken und Schwächen des Lernenden ermittelt und zukünftige Kurse dem Wissensstand ganz individuell angepasst.“ Somit bietet sich sogar den Teilnehmern, die bisher keine Bereitschaft zum Lernen gezeigt haben, eine neue, innovative Lehr- und Lernerfahrung, die zur Motivation beitragen kann. Zudem ergibt sich für Unternehmen eine Kostenersparnis: „Die Zahl von Anwendern beim webbasierten Lernen ist prinzipiell unbegrenzt“, erklärt Bühler. „An- und Abreisekosten für Offline-Schulungen entfallen ebenfalls.“ Für den Lernerfolg sind bei webbasierten Tools allerdings auch ein gewisser technischer Sachverstand sowie ein bestimmter Grad an Selbstdisziplin erforderlich. Bei der Auswahl der passenden Tools sollte außerdem stets auf eine didaktische Absicherung geachtet werden: „Einige Anbieter konzentrieren sich primär auf technische Aspekte bei der Erstellung von E-Learning-Angeboten. Didaktische Fragestellungen spielen dann eher eine untergeordnete Rolle.“ Dennoch erfreut sich die webbasierte Weiterbildung immer größerer Beliebtheit. „Weltweit wird der Markt für das Thema Sprachenerlernen auf 60 Milliarden Dollar geschätzt; beim Thema musikalische Bildung reden wir von 30 Milliarden Dollar – das sind schon jetzt gigantische Märkte, die großes Potenzial für die Digitalwirtschaft bieten“, ist Dr. Joachim Bühler überzeugt. „Wir gehen davon aus, dass der Markt weiter wachsen wird.“ Das belegt auch der MMB-Branchenmonitor „E-Learning-Wirtschaft“ 2015 vom Institut für Medien- und Kompetenzforschung (MMB): Demnach konnten die deutschen E-Learning-Anbieter ihren Umsatz von 2013 auf 2014 um rund elf Prozent steigern.

Web-Plattform statt Bibliothek

Zu den Einsatzorten digitaler Medien gehören auch immer mehr Hochschulen. Die RWTH Aachen hat beispielsweise im Jahr 2007 die zentrale Lehr- und Lernplattform L²P entwickelt, die nahezu flächendeckend von den Instituten eingesetzt wird. „In Umfragen haben Studierende den Wunsch geäußert, dass Materialien möglichst über eine Plattform bereitgestellt werden und nicht über verschiedene Institutswebsites“, sagt Dr. Harald Jakobs vom eLearning-Dienstleistungszentrum CiL der RWTH. „Vor allem möchte kaum noch jemand in die Bibliothek rennen und sich Handapparate kopieren.“ Heute werde L²P unter anderem zur Kommunikation sowie zur Bereitstellung von Informationen genutzt. Zu finden sind hier auch kurze Videos, in denen Dozierende in Kurzvorträgen den Vorlesungsstoff vermitteln. Elektronische Assessments, die zur Verständnissicherung dienen, begleiten das Videoangebot. Somit wird die Präsenzzeit in der Universität nicht mehr zur Inhaltspräsentation, sondern zur Diskussion oder Interaktion genutzt. Dieses Flipped Classroom-Konzept wird mittlerweile in verschiedenen Veranstaltungen eingesetzt. Welch hohen Stellenwert E-Learning hat, belegt auch die Einrichtung des Exploratory Teaching Space (ETS). „Es handelt sich um ein internes Wettbewerbsverfahren für innovative Lehr- und Lernformate, an dem sich Mitarbeiter der Lehre mit ihren Ideen beteiligen können“, erklärt Professor Heribert Nacken, Rektoratsbeauftragter für Blended Learning. Geförderte Projekte bekommen ein Jahr Zeit und maximal 30.000 Euro, um diese Ideen auszuprobieren. „Am Ende der Förderperiode steht ein Bericht, der dokumentiert, wie erfolgreich das Projekt war und welche Übertragungsmöglichkeiten innerhalb der Uni sich daraus ergeben. Hieraus sind in fünf Jahren knapp 70 erfolgreiche Projekte entstanden.“ Für viele Studierende ist die Nutzung digitaler Medien in der Universität längst Normalität geworden. „Wenn ich in einer Vorlesung mit 500 Teilnehmern eine Frage stelle, traut sich in der Regel keiner, sich zu melden“, berichtet Nacken. „Fordere ich sie aber auf, mir die Antwort per Smartphone über unsere RWTH-App zu schicken, antworten rund 60 Prozent der Anwesenden.“ An der Universität Duisburg-Essen spielen webbasierte Tools ebenfalls eine wichtige Rolle. Die E-Learning-Strategie wurde im vergangenen Jahr sogar mit dem Deutschen Arbeitgeberpreis für Bildung ausgezeichnet. „Vor dem Hintergrund, dass viele unserer Studierenden aufgrund von Nebenjobs oder Familienaufgaben auf flexibles Lernen angewiesen sind, arbeiten wir stetig am Ausbau der virtuellen Orte des Lernens in Ergänzung zur Präsenzlehre“, sagt Prof. Dr. Isabell van Ackeren, Prorektorin für Studium und Lehre. Von der klassischen Vorlesungsaufzeichnung über das Videostreaming und den Flipped Classroom bis hin zum Remote-Verfahren, bei dem Studierende der Ingenieurwissenschaften die Möglichkeit haben, Maschinen rund um die Uhr aus der Ferne zu steuern, werden vielfältige Möglichkeiten angeboten. Zudem wurde ein eigenes Online-Assessment entwickelt, das in vielen Fächern zum Einsatz kommt. Studierende bearbeiten Übungsaufgaben und erhalten ein automatisiertes Feedback in Form von Fehlerhinweisen und Verbesserungsvorschlägen. „Unsere Evaluationen haben gezeigt, dass durch E-Learning bessere Lernerfolge erzielt werden können.“

Jessica Hellmann | redaktion@regiomanager.de

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